Wenn mein Kind nicht auf die Toilette gehen möchte – was kann ich tun?

Alle, Bindungs- und Beziehungsorientiert, Familienalltag | 23. November 2022

Was kann ich tun, wenn meine Tochter das Pipi zurückhält? Was mache ich, wenn mein Sohn sagt, dass er nicht auf die Toilette muss und es kurz darauf daneben geht? Wie kann ich mein Kind hier einfühlsam begleiten?

In Teil I dieser Blogreihe hast du bereits erfahren, was dahinter steckt, wenn dein Kind nicht auf die Toilette gehen möchte. In diesem Artikel gebe ich dir meine wichtigsten Handlungsmöglichkeiten aus dem Alltag mit Kindern an die Hand.

Ein Perspektivwechsel: Der Kinobesuch

Vielleicht kennst du das Gefühl, auf Toilette zu müssen und dennoch nicht zu gehen. Ein klassisches Beispiel ist der Kinobesuch: wir unterdrücken das Gefühl, aufs Klo gehen zu müssen, weil wir den Film nicht verpassen wollen  - und gehen erst dann, wenn wir vermuten, dass die nächsten Szenen nicht allzu spannend werden. Wir machen das oftmals gar nicht bewusst, es ist also mehr ein unbewusster Prozess. Und genau das darf es bei deinem Kind wieder werden. Was meine ich damit?
Der Toilettengang soll wieder wie ganz selbstverständlich in den Alltag integriert werden. Denn nicht selten höre ich es von Eltern in Gesprächen und Coachings, dass das Thema sehr aufgebauscht wird und im Familienalltag mehr Bedeutung hat als eigentlich notwendig.

Daher habe ich vier meiner wichtigsten Tipps für dich aufgeschrieben, die dir zu einem gelasseneren und konstruktiven Umgang verhelfen und dir aufzeigen sollen, wie du dein Kind hier einfühlsam begleiten kannst.

Meine 4 wichtigsten Tipps

1. Zurückhalten und Entspannen

Ich weiß, es fällt nicht immer ganz leicht. Doch zunächst einmal geht es darum, dass sich Eltern so gut es geht entspannen und zurückhalten. Denn auch, wenn wir manchmal glauben als verantwortungsvolle Bezugsperson müssten WIR das Problem lösen, so ist das Gegenteil der Fall: Nur dein Kind allein kann diesen Prozess meistern. Und das gelingt umso besser, je weniger Erwartungen und Druck es von deiner Seite aus spürt. Lassen wir den Pipi-Wäscheberg erst einmal Wäscheberg sein und geben dem Kind die Zeit, die es benötigt. Zeit, um diesen Prozess (auf der sinnlichen, körperlichen und kognitiven Ebene) zu begreifen.

2. Das Kind nicht vor anderen auf den Toilettengang ansprechen

Außerdem liegt es in unserer Verantwortung, dass wir für die Kinder einen schützenden Raum schaffen. Dies bedeutet vor allem, dass wir den Toilettengang des Kindes in seiner Intimität wertschätzen und nicht auf der nächsten Familienfeier zum großen Thema machen. Denn tun wir dies, so laufen wir Gefahr das Kind zu beschämen und mal ganz ehrlich: Würden wir selbst wollen, dass man unsere intimen Themen mit den Nachbarn, den Großeltern oder den Tanten bespricht? Eher kaum. Daher gilt auch hier: Zurückhaltung!

3. Das Kind hat in die Hose gemacht - Wer übernimmt das Umziehen?

Mama und Papa können unterschiedliche Herangehensweisen mit dem Thema haben. So kann es vorkommen, dass ein Elternteil viel Geduld aufbringen kann und der andere schneller mal genervt reagiert, wenn das Kind erneut in die Hose gemacht hat. Sprecht euch hier ab: Wer von euch möchte das Kind nun zur Toilette begleiten und umziehen? Im besten Fall kann der Elternteil, dem es leichter fällt gelassen zu bleiben, hier übernehmen und den anderen Part entlasten, was wiederum in der ganzen Familie zu mehr Harmonie führt.

4. Mit dem Kind ins Gespräch gehen

Wie geht es dir damit?

Ab einem gewissen Alter und Entwicklungsstand können wir wunderbar mit dem Kind ins Gespräch gehen. Wenn das Zurückhalten des Pipis bereits seit längerer Zeit ein Thema ist, ist dies sogar in den meisten Fällen sinnvoll. Wir können uns mit dem Kind in Verbindung setzen und nachfragen: „Wie fühlt es sich für dich an, wenn du dein Pipi unterdrückst? Ist da snicht schmerzhaft/unangenehm?“ oder „Wie geht es dir, wenn was daneben geht und deine Hose nass wird. Für mich würde sich das gar nicht gut anfühlen. Geht es dir ähnlich?“. Wir können uns in das Kind einfühlen und erzählen, dass wir eine ähnliche Situation schon einmal selbst erlebt haben - sei es beim Kinobesuch (siehe oben) oder als wir jünger waren.

Darf ich dich denn fragen, ob du auf Toilette musst?

Wenn der Toilettengang ein sehr belastetes Thema ist, weil es uns schon lange begleitet, kann es sein, dass das Kind schlichtweg nicht mehr auf das Thema angesprochen werden möchte. Das würde mir genauso gehen. Auch hier können wir das Kind fragen („Darf ich dich denn zwischendurch mal fragen, ob du auf Toilette musst?“) und die entsprechende Reaktion abwarten. Oftmals sagen Kinder dann genervt: "Nein, Mama!" - und das ist okay. Verneint es dies, so sollten wir dem Willen des Kindes – Stichwort Autonomie – unbedingt folgen. Gleichzeitig können wir – sollte der Drang, etwas zu unternehmen sehr groß sein – noch eine zweite Frage stellen: „Okay, du möchtest nicht daran erinnert werden, das verstehe ich. Darf ich dich denn in einer Woche noch einmal ansprechen und fragen?“. Gleichzeitig signalisieren wir: „Du hingegen darfst mich natürlich IMMER ansprechen. Mir geht es nur darum, dass du dich gut fühlst. Ich weiß ja auch, wie es sich manchmal anfühlt, wenn es daneben geht.“

Entschuldigung

Keine*r von uns lebt fehlerfrei. „Das Leben wir vorwärts gelebt und rückwarts verstanden“, wie es der dänische Philosoph Søren Kierkegaard zu sagen pflegte. Dies gilt auch für die besten Eltern. In meinen Coachings berichten mir Eltern immer wieder, wie sehr sich Situationen in den Familien zuspitzen. Dies kann auch beim Thema „Toilettengang“ passieren und im Nachhinein bemerken wir, dass wir anders handeln hätten sollen. Hier dürfen wir den Kindern mit gutem Beispiel vorangehen und offen zugeben: „Entschuldigung, ich bin in letzter Zeit nicht gut damit umgegangen. Ich habe dich manchmal angeschrien, das war meine Schuld und du hast überhaupt nichts falsch gemacht.“ Oder „Ich habe nicht bedacht, dass es dir unangenehm ist, dass ich das mit Oma bespreche. Ich werde das nicht mehr tun“.

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Kostenloses Kennenlerngespräch Elena Sedlmeyr

Quellenngaben:

Podcast: Familienrat mit Katia Saalfrank. Pipi unterdrücken - Was tun, wenn mein Kind nicht auf die Toilette gehen möchte?

Schmidt, N. (2022). artgerecht durch den Familienalltag. ...weil das echte Leben echte Lösungen braucht!

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