Wenn mein Kind nicht auf die Toilette gehen möchte – was steckt dahinter?

Bindungs- und Beziehungsorientiert, Familienalltag | 16. November 2022

Was kann ich tun, wenn meine Tochter das Pipi zurückhält? Was mache ich, wenn mein Sohn sagt, dass er nicht auf die Toilette muss und es kurz darauf daneben geht? Wie kann ich mein Kind hier einfühlsam begleiten?

All diese Fragen beantworte ich dir in meinen beiden neuen Artikeln. Zunächst geht es darum, die Grundlagen zu legen und den Prozess des Trockenwerdens zu verstehen.

Der Mechanismus „Trocken werden“

Trocken werden ist ein Prozess. Dieser dauert manchmal weit über das vierte Lebensjahr hinweg und es kommt nicht selten vor, dass er auch im früheren oder späteren Schulalter nochmals zum Thema wird. Beim Trockenwerden geht es ums Loslassen, genauer gesagt geht es um den Mechanismus Festhalten – Loslassen.

Alle Kinder haben von Geburt an Signale, dass ihre Körperflüssigkeiten austreten. Das Spannende an unserer heutigen Gesellschaft ist nur, dass wir den Kindern diese Fähigkeit früh abtrainieren, indem wir ihnen im Säuglingsalter Windeln anziehen. Im zweiten oder dritten Lebensjahr erwarten wir dann ganz selbstverständlich, dass sie ihre Körpersignale wieder spüren sollen.

Um dieser Entwicklung ein Stück weit entgegen zu steuern gibt es die sogenannte „Windelfrei-Bewegung“, was nicht bedeutet, dass Kinder hier grundsätzlich ohne Windel sind. Vielmehr werden hier die körperlichen Signale von Kindern feinfühlig im Kontakt zu den Bezugspersonen aufgenommen und den Kindern wird die Windel abgenommen, wenn sie die entsprechenden Signale zeigen.

Die Bedeutung des Trockenwerdens

Das Grundbedürfnis nach Autonomie

Trocken werden bedeutet Kontrolle übernehmen können, nämlich die Kontrolle über den eigenen Körper. Für die Kinder gehört das Trocken werden zu einer ganz wichtigen Phase, in welcher sie auf vielen Ebenen unterschiedliche Erfahrungen machen.

Diese nämlich lauten:

  • „Ich kann meinen Körper kontrollieren“
  • „Ich kann ein Bedürfnis steuern“
  • „Ich kann etwas bewirken“
  • „Ich trage Verantwortung“

Sagt uns das Kind „Ich muss nicht Pipi machen“, dann verschafft es sich hier erst einmal Freiraum. Es drückt hier ein ganz wichtiges Bedürfnis aus: nämlich die Autonomie /Selbstverwirklichung in Bezug auf den eigenen Körper. Wenn du mir erst seit kurzem folgst, schau dir zusätzlich gerne das Eisbergmodell nach Katia Saalfrank an, welches die drei Basis-Grundbedürfnisse, die allen kindlichen Verhaltens zugrunde liegen, veranschaulicht.

Der Wunsch nach Autonomie vonseiten des Kindes kollidiert oft mit einer Fürsorge von Außen. Eltern, Lehrer:Innen und Erzieher:Innen haben nämlich bestimmte Erwartungen und sagen dann: „Komm, ich seh doch, dass du musst. Geh doch nochmal.“ Darum geht es hier aber nicht, denn damit nehmen wir dem Kind die Kompetenz, selbst zu bestimmen wann es gehen möchte und wann nicht – Stichwort Autonomie.

Druck erzeugt Gegendruck

Manchmal verspüren Eltern Druck, wenn der Schulstart ansteht oder die erste Klassenfahrt – und das Kind immer noch regelmäßig in die Hose macht oder Windeln trägt. Was wir nicht vergessen sollten ist, dass dieser Druck auch bei den Kindern ankommt. Und wenn man Druck hat, kann man nicht loslassen und nicht in die Entspannung kommen, die es für den Prozess des Trockenwerdens braucht.

Ist es eine gute Idee, wieder zur Windel zurückzukehren?

Hierzu gibt es verschiedene Meinungen. Ich sage dir nun, was sich in meinen Arbeitsjahren als Pädagogin und in meinen Coachings bewährt hat. Immer wieder konnte ich beobachten, dass Eltern, Erzieher:Innen und Lehrer:Innen die Sorge hatten, dass das Kind wieder Rückschritte in der Entwicklung macht, wenn sie ihm nun wieder eine Windel anziehen. Ich kann diese Sorge durchaus verstehen und gleichzeitig bin ich der Meinung, dass der Mensch als autonomes Wesen die Entwicklungsschritte machen will. Dass es momentan nicht klappt, hat einen Grund.

Wir stabilisieren also erst das Kind, dann die Umstände, und erst dann denken wir wieder über das Trockenwerden nach. Grundsätzlich ist es also durchaus denkbar, dem Kind vorübergehend wieder eine Windel anzuziehen. Ich würde hier mit dem Kind ins Gespräch gehen und gemeinsam herausfinden: „Was können wir tun?“. Denn schließlich ist es deren Prozess, wir sollten ihre Wünsche und Lösungsmöglichkeiten berücksichtigen.

Möchte das Kind wieder seine Windel anziehen, so gilt:

Stabilisieren – Ursachenforschung - Überlegen

STABILISIEREN - Signalisiere deinem Kind "Klar kriegst du deine Windel"

URSACHENFORSCHUNG - Hat sich etwas verändert? Zuhause? In der Einrichtung? Im Umfeld in der Familie?

ÜBERLEGEN - Überlege dir, wie du Sicherheit, Selbstbestimmungsmöglichkeiten und Selbstständigkeit fördern kannst?

In Teil II dieser Blogreihe erfährst du von mir, was du tun kannst, um dein Kind in dieser Phase feinfühlig zu begleiten, gelassen zu bleiben und der Situation den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Er erscheint in einer Woche (am 23.11.) unter dem Titel "Wenn mein Kind nicht auf die Toilette möchte - was kann ich tun?".

Wir sehen uns nächste Woche,

Kostenloses Kennenlerngespräch Elena Sedlmeyr

Quellenngaben:

Podcast: Familienrat mit Katia Saalfrank. Pipi unterdrücken - Was tun, wenn mein Kind nicht auf die Toilette gehen möchte?

Schmidt, N. (2022). artgerecht durch den Familienalltag. ...weil das echte Leben echte Lösungen braucht!

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